Lungentransplantation
Die Lungentransplantation (LTPL) ist eine Behandlungsform für fortgeschrittene Lungenkrankheiten und besteht in der Verpflanzung (Transplantation) eines Lungenflügels (Einzellungentransplantation), beider Lungenflügel (beidseitige Lungentransplantation) oder nur eines oder mehrerer Lungenlappen von einem Organspender zu einem Empfänger. Die Herz-Lungentransplantation, das heißt die Transplantation beider Lungen zusammen mit dem Herzen, wird heute nur noch selten, vor allem bei Patienten mit Herzfehlern, durchgeführt. Seit einigen Jahren besteht auch vor allem für lungenkranke Kinder die Möglichkeit einer sogenannten Lebend-Lungentransplantation (engl. living-related lung transplantation), das heißt die Verpflanzung je eines Lungenlappens von zwei lebenden Spendern auf einen meist sehr jungen Empfänger.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
In den letzten 25 Jahren hat sich die LTPL von einer experimentellen Technik zur etablierten Behandlungsmöglichkeit schwerer Erkrankungen der Lungen und des Lungenkreislaufes entwickelt. Diesen Fortschritt haben vor allem die verbesserte Operationstechnik und Organpräservation, die genaueren Selektionskriterien sowie eine verfeinerte Diagnostik, Prophylaxe und Behandlung von Abstoßungsreaktionen und Infektionen ermöglicht. Das Ziel aller Bestrebungen ist jedoch nach wie vor die Verringerung von Erkrankungshäufigkeit und Sterblichkeit infolge des sogenannten Bronchiolitis-obliterans-Syndromes (BOS), das nach wie vor die Langzeitresultate der LTPL am meisten beeinträchtigt.
Bereits kurz nach der Jahrhundertwende hat Alexis Carrel erste Transplantationen von Organen vorgenommen (3). In den Vierzigerjahren führte der russische Chirurg Wladimir Petrowitsch bei Hunden über 100 experimentelle Herz-Lungentransplantationen ohne Herz-Lungen-Maschine oder Immunsuppression durch. Er konnte zeigen, dass diese transplantierten Organe die Versuchstiere zumindest über eine kurze Zeit am Leben erhalten konnten. Diese Resultate wurden von Dominique Métras 1950 in Frankreich und Hardin 1954 in den USA bestätigt. In der Folge – insbesondere dank der Einführung der Herz-Lungen-Maschine durch Webb – gelang Hardy 1963 die erste einseitige LTPL beim Menschen. Der Patient überlebte jedoch nur 18 Tage. Bis 1980 wurden insgesamt 3 Herz-Lungen- und 38 Einzellungentransplantationen bei Menschen durchgeführt. Mit der Ausnahme eines Patienten, der 10 Monate überlebte, starben alle innerhalb von drei Monaten. Mit der Einführung des Ciclosporins im Jahre 1981 begann eine neue Ära der Transplantationschirurgie einschließlich der LTPL. Im März 1981 gelang Reitz in Stanford die erste längerfristig erfolgreiche Herz-Lungentransplantation. Die weiteren technischen Entwicklungen der isolierten LTPL waren vor allem geprägt durch die Arbeiten von Cooper und Mitarbeitern in Toronto und später in St. Louis. Diese Gruppe führte 1983 die erste Einzel-LTPL, 1986 die erste En-bloc-Doppel-LTPL und 1989 die erste sequentielle beidseitige LTPL durch.
1993 war es Dr. Vaughn Starnes vom Stanford Medical Center, der als erster Chirurg eine Lungentransplantation unter lebenden Verwandten ausführte. Er nahm je einen Lungenflügel des Vaters und der Mutter und verpflanzte sie der 12-jährigen Tochter. Bis Mitte 2005 wurden weltweit über 18 000 LTPL, davon etwa die Hälfte Einzel-LTPL, durchgeführt. Die mittlere 1- beziehungsweise 5-Jahresüberlebensrate beträgt weltweit insgesamt 70 % beziehungsweise 50 %. Einzelne Zentren erreichen jedoch mittlerweile ein 5-Jahresüberleben von etwa 80 %. Es gibt mehrere Fälle von zweiten dritten und sogar vierten Lungentransplantationen in Deutschland, wobei Patienten im Durchschnitt alle fünf Jahre auf einen neuen Lungenspender angewiesen sind.
Lungentransplantationszentren
In Deutschland können nur wenige Krankenhäuser Lungen transplantieren. Die meisten Lungentransplantationen werden in Hannover durchgeführt, an zweiter Stelle steht München/Großhadern.
Indikationen
Die Indikation zur LTPL erfolgt im fortgeschrittenen Stadium einer Krankheit der Lungen oder des Lungenkreislaufes, nachdem alle konservativen Therapiemöglichkeiten maximal ausgeschöpft worden sind. In dieser Phase leiden die Patienten bereits bei der geringsten Anstrengung, teilweise sogar in Ruhe unter Luftnot (Dyspnoe) (NYHA-Klassifikation III-IV). Die anzunehmende Lebenserwartung ohne Transplantation beträgt dann oft nur noch etwa 6 bis 18 Monate. Dies abzuschätzen ist im Einzelfall natürlich sehr schwierig, und hängt vor allem auch von der zugrunde liegenden Krankheit ab. Dies sind vor allem die folgenden:
- Chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD)
- einschließlich Lungenemphysem bei Alpha-1-Antitrypsinmangel
- Mukoviszidose (Zystische Fibrose)
- einschließlich beidseitige Bronchiektasen
- Idiopathische Lungenfibrose
- Pulmonale Hypertonie
- Idiopathische Form, im Rahmen von Herzfehlern (Eisenmenger-Syndrom)
- Sarkoidose
- Langerhanszell-Histiozytose
- Lymphangioleiomyomatose
- Bronchiolitis obliterans
Man weiß aufgrund von Studien, dass bei COPD die Lebenserwartung nach Indikation zur Sauerstoff-Langzeittherapie, das heißt bei einem Sauerstoffpartialdruck <55 mmHg (<7.3 kPa), und einer Lungenfunktion mit einem FEV1 von 30 bis 40 % die 2-Jahresüberlebensrate noch etwa 80 % beträgt. Ganz anders sieht es aber bei der Mukoviszidose aus, denn es muss bei diesen Patienten bei denselben oben erwähnten Werten eine LTPL unbedingt in Betracht gezogen werden. Schwierig ist auch die Indikation bei pulmonaler Hypertonie, wo zum Beispiel die gemessenen Druckwerte im Lungenkreislauf für die Indikationsstellung zur LTPL keine entscheidende Rolle spielen.
Ein einfacher aber wichtiger Test, um die allgemeine körperliche Einschränkung abzuschätzen, ist der 6- beziehungsweise 12-Minuten-Gehtest, bei dem Transplantations-Kandidaten meist deutlich weniger als 400 beziehungsweise 600 Meter zurücklegen können.
Die obere Altersgrenze für eine Lungentransplantation beträgt zur Zeit etwa 65 Jahre. Wichtiger als das chronologische Alter ist aber für die Entscheidungsfindung das biologische Alter, das heißt der Allgemein- und Ernährungszustand, das Fehlen von Störungen anderer Organsysteme sowie eine stabile psychosoziale Situation. Der ideale Zeitpunkt für die Transplantation ist deshalb oft schwierig festzulegen und hängt vor allem auch vom individuellen Krankheitsverlauf ab. Insbesondere gilt es, den Moment zu erfassen, bei welchem sich der Zustand der Patienten rasch zu verschlechtern beginnt. Wichtige Hinweise dafür sind eine rasche Abnahme der Lungenfunktionswerte, ein zunehmender Sauerstoffgebrauch, wiederholte Rechtsherzdekompensationen, häufige Exazerbationen und Hospitalisationen, drohende Bettlägrigkeit und insbesondere beginnender Gewichtsverlust trotz optimaler Ernährung.
Der von der Stanford-Gruppe geprägte Begriff des „Transplantationsfensters“ illustriert sehr gut die Bedeutung dieser Überlegungen im Hinblick darauf, dass der Patient nicht zu früh, aber auch nicht zu spät für eine mögliche Lungentransplantation in Betracht gezogen wird. Bei vielen Patienten ist für die Entscheidung zur Transplantation vor allem die schwer eingeschränkte Lebensqualität, die ihnen das Leben nicht mehr lebenswert macht, ausschlaggebend.
Kontraindikationen
Absolute Kontraindikationen für eine LTPL sind mit den medizinischen Fortschritten der letzten Jahre selten geworden. Es sind dies vor allem schwere systemische Erkrankungen wie Sepsis, unbehandelbare Störungen der Blutgerinnung, schwere allgemeine Arteriosklerose oder Tumore, die nicht länger als 5 Jahre erfolgreich behandelt sind. Funktionsstörungen anderer Organe wie chronisches Nierenversagen, Leberversagen oder Herzinsuffizienz sind heute relative Kontraindikationen, da bei solchen Patienten in ausgewählten Fällen auch eine kombinierte Transplantation, also zum Beispiel der Lungen und Nieren, in Frage kommt. Als äußerst problematisch wird hingegen eine Transplantation bei schweren Erkrankungen des Nervensystems, bei ernsthaften psychiatrischen Erkrankungen, sowie bei Missbrauch von Drogen-, Alkohol- oder Nikotin. Anders als früher führen heute die meisten Zentren eine LTPL auch in Fällen durch, bei denen bereits früher Operationen am Thorax durchgeführt worden sind oder die schwere Verwachsungen im Brustraum haben.
Technik der LTPL
Die Art der Transplantation hängt von der Grundkrankheit ab. Lungenkrankheiten, die mit chronischen Infekten einhergehen wie die Mukoviszidose oder Bronchiektasen erfordern eine beidseitige LTPL. Bei allen übrigen Lungenkrankheiten kommt theoretisch eine Einzel-LTPL in Frage. Sie stellte bis vor kurzem die Methode der Wahl bei Lungenfibrose oder Lungenemphysem dar. In den letzten Jahren hat sich aber gezeigt, dass bei der Transplantation von lediglich einer Lunge oft Probleme mit der verbleibenden anderen kranken Lunge entstehen wie zum Beispiel schwere Infektionen. Deshalb wird heute oft auch in diesen Fällen eine beidseitige LTPL durchgeführt. Dies hat auch den Vorteil, dass die Lungenfunktion nach der Transplantation deutlich besser ist. Der Nachteil ist jedoch, dass von einem Organspender nur ein statt zwei Patienten transplantiert werden können. Eine Herz-Lungentransplantation ist heute nur noch bei nicht korrigierbaren Herzfehlern mit Eisenmenger-Reaktion notwendig. Dies beruht auf der in den letzten Jahren gewonnenen Erkenntnis, dass sich auch bei schwerem Versagen der rechten Herzens bei pulmonaler Hypertonie dieses sich innert weniger Tage bis Wochen vollständig erholt. Die Technik der LTPL ist heute weitgehend standardisiert. Die Eröffnung des Brustraumes erfolgt heute meistens durch einen seitlichen Schnitt etwa zwischen der 8. und 9. Rippe. Nach der Entfernung der erkrankten Lunge werden zuerst die Bronchien, anschließend die Lungenvenen mit einem Stück des Herzvorhofes, und am Schluss die Lungenarterien der Spenderlunge mit den entsprechenden Strukturen beim Empfänger durch eine Naht verbunden. Bei der beidseitigen LTPL wird gleich anschließend nach der Transplantation der einen Lunge die andere mit derselben Technik verpflanzt. Oft kann dabei sogar ohne Herz-Lungenmaschine operiert werden, da während der Transplantation der ersten Lunge der Patient durch Beatmung der verbleibenden anderen kranken Lunge genügend mit Sauerstoff versorgt werden kann, und anschließend während der Ersetzung der zweiten Lunge die Beatmung dann bereits über die „neue“ Spenderlunge erfolgen kann. Die Patienten werden bei komplikationslosem Verlauf meistens innerhalb von wenigen Stunden vom Beatmungsgerät entwöhnt und nach zwei bis drei Tagen von der Intensivstation auf die Normalstation verlegt. Anschließend erfolgt eine rasche Mobilisation unter intensiver physiotherapeutischer Betreuung. Die ganze Spitalbehandlung dauert etwa 3 Wochen. Der Verlauf ist vor allem bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie etwas verzögert, und in 10-20 % kommt es zu Komplikationen, welche einen deutlich längeren Aufenthalt auf der Intensivstation und eine längere Spitalbehandlung notwendig machen.
Komplikationen nach LTPL
In den ersten Wochen nach LTPL stellen chirurgische Probleme wie Blutungen, Lähmung des Zwerchfelles, Auseinanderklaffen oder Verengungen der Nahtstellen an den Bronchien und Lungengefäßen, akutes Lungen- oder Herzversagen sowie Infektionen die häufigsten Komplikationen dar. Nach dem ersten bis zum sechsten Monat sind es vor allem die akute Abstoßungsreaktion und Infektionen mit Bakterien, Viren und Pilzen. Im Langzeitverlauf, das heißt nach dem sechsten Monat nach LTPL, ist die wahrscheinlich in erster Linie auf einer chronischen Abstoßungsreaktion beruhende Bronchiolitis obliterans, beziehungsweise das Bronchiolitis-obliterans-Syndrom (BOS), die folgenschwerste Komplikation. Die akute Abstoßungsreaktion nach LTPL ist heute dank der verbesserten Immunsuppression seltener geworden. Sie wird in etwa einem Drittel der Patienten beobachtet, und einige machen zwei und mehr solche Episoden durch. Die akute Abstoßungsreaktion beruht auf einem Abwehrmechanismus des Körpers gegen das fremde Organ. Mikroskopisch findet sich im Gewebe eine Ansammlung von Entzündungszellen um die kleinen Lungengefäße. Während in den ersten 3-4 Wochen die Patienten dabei oft Fieber, Atemnot oder Veränderungen im Lungenröntgenbild haben, verläuft die akute Abstoßungsreaktion im weiteren Verlauf meistens ohne Symptome und kann nur aufgrund einer täglichen Kontrolle der Lungenfunktion und regelmäßiger transbronchialer Lungen-Biopsien, das heißt einer Gewebsprobenentnahme mittels Bronchoskopie, erfasst werden. Die akute Abstoßungsreaktion kann mit Gabe von hochdosiertem Kortison immer gut behandelt werden, stellt aber einen der wichtigsten Risikofaktoren für die spätere Entwicklung eines BOS dar. Infektionen nach LTPL äußern sich meisten als Lungenentzündung. Aber auch Sepsis, Infekte des Magen-Darm-Traktes, der Nieren und Harnwege oder des Nervensystems kommen vor. Die häufigste Ursache sind verschiedene Bakterien, Viren (vor allem das Zytomegalievirus) sowie Pilze (Aspergillus fumigatus, Pneumocystis jirovecii). Durch eine gute Prophylaxe können diese Infektionen meistens verhindert, oder deren Schweregrad verringert werden.
Bronchiolitis-obliterans-Syndrom (BOS)
Ohne Zweifel ist das BOS die wichtigste und schwerwiegendste Komplikation nach LTPL. Es tritt über die Jahre in bis zur Hälfte der Patienten auf und stellt ein Krankheitsbild dar, das gekennzeichnet ist durch eine zumeist langsam beginnende, aber leider in vielen Fällen unaufhaltsam fortschreitende Verschlechterung der Lungenfunktion. Histologisch manifestiert sich das BOS durch Vernarbung und schließlich Zerstörung der Bronchiolen sowie Pfröpfen von Gewebe in den kleinen Atemwegen und Alveolen. Da jedoch die transbronchiale Lungenbiopsie oft unergiebig ist, wird die Diagnose aufgrund der Lungenfunktion gestellt. Beim BOS kommt es zu einer Verschlechterung des FEV1 im Vergleich zum Durchschnitt der zwei besten postoperativ gemessenen Werte. Folgende Stadien des BOS werden unterschieden:
- Stadium 0 FEV1 >90 % des Ausgangswertes
- Stadium 0-p FEV1 81-90 % des Ausgangswertes
- Stadium 1 FEV1 66-80 % des Ausgangswertes
- Stadium 2 FEV1 51-65 % des Ausgangswertes
- Stadium 3 FEV1 < 50 % des Ausgangswertes
Die Ursache des BOS ist nicht ganz geklärt. Die meisten Autoren sind der Meinung, dass es sich dabei um eine Form einer chronischen Abstoßungreaktion handelt, welche möglicherweise Folge von verpassten beziehungsweise nicht behandelten akuten Abstoßungsreaktionen ist. Heute ist man aber der Auffassung, dass viele andere Faktoren wie wiederholte Infekte oder nicht erkannter nächtlicher Aspiration von Magensaft (gastroösophagealer Reflux) eine wichtige Rolle spielen. Ein Zusammenhang mit dem Zytomegalievirus wird immer wieder diskutiert, konnte aber bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden. Am häufigsten tritt das BOS 1-2 Jahre nach LTPL auf. Beginnt es später, ist wohl die häufigste Ursache eine mangelhafte Compliance der Patienten, das heißt eine unzuverlässige Einnahme der Medikamente.
Die Prophylaxe des BOS besteht vor allem in der frühzeitigen Diagnose und Behandlung von akuten Abstoßungsreaktionen, in der konsequenten Vorbeugung und Behandlung von Infektionen, in Maßnahmen gegen den gastroösophagealen Reflux, und der intensiven Betreuung und Motivation der Patienten zur Verbesserung der Medikamenten-Compliance. Die Behandlung eines bereits bestehenden BOS ist schwierig. In etwa 1/3 der Fälle kann mit vermehrter Immunsuppression eine Besserung erreicht werden. Ein Drittel der Patienten zeigt einen stationären Verlauf. In einem weiteren Drittel kommt es jedoch zu einer anhaltenden, nicht beeinflussbaren Verschlechterung der Lungenfunktion, so dass schließlich nur noch eine erneute Transplantation in Frage kommt.
Film
- Eine neue Lunge für Manja. 60 Min. Dokumentation, Deutschland 2006, Erstausstrahlung. Regie: Till Lehmann (Geschichte einer 31-jährigen Mutter und deren Ehemann, Bäcker - zeitweise ihr Pfleger, aus Mecklenburg-Vorpommern)
Weblinks
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