Chronische Krankheiten

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Unter chronischen Krankheiten werden Krankheiten verstanden, die entweder Ergebnis eines länger andauernden Prozesses degenerativer Veränderung somatischer oder psychischer Zustände sind oder die dauernde somatische oder psychische Schäden oder Behinderung zur Folge haben (Waltz 1981). Heilt eine Krankheit nicht aus oder kann die Krankheitsursache nicht beseitigt werden, kommt es zur Chronifizierung.

Koronare Herzkrankheit, Asthma, COPD, Fibrose, Diabetes mellitus, Multiple Sklerose, Apoplex, Alkoholismus, Demenz, Epilepsie, Gicht, Rheuma, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn sind nur einige Beispiele.

  • Fast 20% aller BundesbürgerInnen gelten als chronisch krank. Fast alle haben Angehörige, Freunde oder Bekannte mit solchen Krankheiten.
  • 19. Jahrhundert: 80% aller Menschen starben an Infektionskrankheiten, 1930: knapp 50%, 1980: nur noch 1 %.
  • Heute: Über 80% aller Menschen leiden und sterben an chronischen Krankheiten wie: bösartige Tumoren, Hypertonie, Bronchialleiden, Leberzirrhose, Diabetes, Arteriosklerose.

Epidemiologie

Die Epidemiologie ist die Lehre von der Häufigkeit und Verteilung von Krankheiten und Gesundheitsstörungen sowie von deren Ursachen und Risikofaktoren in Bevölkerungsgruppen, deren Verlauf und deren sozialen und volkswirtschaftlichen Folgen; ferner Untersuchungen über den Wert diagnostischer Methoden und der Vorbeugemaßnahmen; ebenso Statistik über Infektionskrankheiten, deren Erreger und Übertragungswege, seit ca. 40 Jahren auch Daten zu chronischen Krankheiten.

Wichtige epidemiologische Vokabeln sind

  • Mortalität (= Wie viele Menschen einer Bevölkerung sind gestorben?),
  • Inzidenz (= Wie viele Menschen sind an einer bestimmten Krankheit neu erkrankt?),
  • Prävalenz (= Wie viele Menschen haben eine bestimmte Krankheit zu einem Zeitpunkt),
  • Morbidität (= Wie viele Menschen erkranken an einer bestimmten Krankheit – meist auf 10.000 bezogen?),
  • Letalität (= Wie viele sterben an einer Krankheit?),
  • Krankenstand (= Wie viele Mitarbeiter sind krank?),
  • Säuglingssterblichkeit (= Wie viele von den Lebendgeborenen versterben innerhalb des ersten Lebensjahres?).

Schätzungsweise leiden in Deutschland 1,2 Millionen Menschen an Morbus Alzheimer,

50% aller Menschen leiden und sterben an Herz-Kreislauferkrankungen, 25% an Tumoren.

Apoplex ist nach Herzerkrankungen und Tumoren die dritthäufigste Todesursache. Jedes Jahr erleiden ca. 170.000 einen Apoplex. 1/3 sterben sofort, 1/3 genesen, 1/3 haben chronische Folgen.

Morbus Parkinson und Multiple Sklerose gehören zu den häufigsten Neurologischen Erkrankungen.

An Schizophrenie erkranken rund 0,8% (=640.000 Menschen), an Affektiven Psychosen 0,5-0,8% der Gesamtbevölkerung.

5% der Erwachsenen haben Neurodermitis, 1-2% leiden an Asthma.

Von Diabetes mellitus sind 4-5% (Pflege heute) bzw. 7% (Gerlach Innere Medizin, 5. Aufl. 2000) betroffen.

Allgemeine Folgen chronischer Krankheiten

Es verändern sich Körperintegrität und Wohlbefinden; es kommt zu einer Veränderung des Selbstkonzepts, z.B. entsteht aufgrund von Verletzungen ein neues Körperschema. Erkrankte erleben sich vorübergehend oder dauerhaft als Personen, die die Kontrolle über ihr Leben verloren haben, das emotionale Gleichgewicht gerät ins Wanken; es kommt zu einer Verunsicherung hinsichtlich sozialer Rollen und Aufgaben, sie müssen sich auf eine neue Situation einstellen, wenn sie sich in medizinische Behandlung begeben. Nicht zuletzt bedeutet eine schwere Erkrankung für sie eine Bedrohung ihres Lebens.

Krankheitsverläufe

Eine Krankheit kann heilen, kann als Defektheilung enden (z.B. mit Amputation, großen Narben), kann rezidivieren (= wiederaufflackern, z.B. Tumoren), oder chronifizieren (= schleichend verlaufen, von langer Dauer sein).

Beim chronischen Verlauf werden unterschieden: chronisch-kontinuierlich (Krankheit bleibt in einem Stadium stehen), chronisch-rezidivierend (= wiederkehrend, z.B. Allergieschübe) oder progredient (= fortschreitend, z.B. Rheuma). Daneben gibt es kompensierte (= Fehlfunktion wird ausgeglichen, Patient fühlt sich gesund) und dekompensierte Verläufe (Patient erfährt wesentliche Einschränkungen durch die Krankheit)

Nach Corbin Strauss in Woog (Hrsg.)(1998) verläuft eine chronische Krankheit in verschiedenen Stadien:

Stadium Definition
Vor der Pflege- und Krankheitsverlaufskurve vor Beginn der Krankheit, Präventivphase
Einsetzen der Pflege- und Krankheitsverlaufskurve Auftreten von Anzeichen und Symptomen einer Krankheit
Krise lebensbedrohliche Situation
akut akuter Krankheitszustand oder Komplikationen, die einen Krankenhausaufenthalt notwendig machen
stabil Krankheitsverlauf und -symptome werden mit Hilfe von Heilprogrammen unter Kontrolle gehalten
instabil Krankheitsverlauf und -symptome können nicht länger unter Kontrolle gehalten werden, Krankenhausaufenthalt ist nicht nötig
Verfall Fortschreitende Verschlechterung der körperlichen und geistigen Verfassung gekennzeichnet durch zunehmende Behinderung und verstärktes Auftreten von Krankheitssymptomen
Sterben Stunden, Tage und Wochen unmittelbar vor dem Tod

Bewältigungsanforderungen bei chronischen Krankheiten

  1. Krankheitsbezogene Aufgaben wie
    • Anerkennung und Bewältigung der Krankheitssymptome wie Schmerz, Schwäche oder Behinderung,
    • Auseinandersetzung mit der notwendigen medizinischen Behandlung,
    • Entwicklung und Aufrechterhaltung adäquater Beziehungen zu Ärzten und Pflegekräften,
    • bei vielen Erkrankungen: Anerkennung & Bewältigung eines ungewissen Krankheitsverlaufs und ungewisser Zukunft,
  1. Personenbezogene Aufgaben wie
    • Entwicklung und Aufrechterhaltung eines emotionalen Gleichgewichts,
    • Aufrechterhaltung eines ausreichenden Selbstwertgefühls.
  1. Umweltbezogene Aufgaben wie:
    • Umgestaltung und Aufrechterhaltung der wichtigen Beziehung zu Familie und Freunden.

Die Auseinandersetzung mit diesen Anforderungen vollziehen Menschen im sog. Krisenzyklus.

Schwerpunkte der Pflege im häuslichen/stationären Bereich

Die psychosoziale Dynamik bei dem Bewältigungsprozess macht deutlich, dass Pflegekräfte besondere Fähigkeiten benötigen: Sie sollen in der Lage sein die Pflegebeziehung als vertrauensvoll, begleitend und unterstützend zu gestalten, damit die PatientInnen ihre Krankheit verarbeiten und bewältigen lernen. Die (psychischen und sozialen) Ressourcen sollen somit gefördert werden, Motivation soll entwickelt werden, damit die PatientInnen bei der langwierigen Rehabilitation (mit Rückschlägen und phasenweiser Trostlosigkeit) mitwirken, die Compliance gesichert ist. Kurz gesagt: Pflegekräfte sollen sich einfühlen, angemessen kommunizieren, informieren, motivieren, anleiten können.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Fähigkeit der Pflegekräfte zur interdisziplinären Zusammenarbeit.

Behandlungsprogramme (= Chronikerprogramme, Disease Management Programme, DMP)

Sie sollen sicherstellen, dass die hohen und komplexen Anforderungen an eine dauerhafte, qualitativ hochwertige medizinische Behandlung chronisch kranker Menschen erfüllt werden. Bisher gibt es zwei anerkannte: für Diabetes mellitus und Brustkrebs. Weitere werden entwickelt. Wollen ÄrztInnen an diesen Programmen teilnehmen, müssen sie sich permanent weiterbilden. Zusätzlich werden PatientInnen intensiv informiert und geschult, damit sie den Prozess optimal mit beeinflussen können. Dabei arbeiten alle Beteiligten – Haus- und FachärztInnen, Krankenhäuser, TherapeutInnen sowie PatientInnen Hand in Hand zusammen. Begleitet und organisiert wird diese Zusammenarbeit von Krankenkassen.

Pflegemodell „Chronische Krankheiten“ nach Corbin und Strauss

Grundlegender Gedanke beim Pflegemodell „Chronische Krankheiten“ nach Corbin und Strauss ist, dass jede chronische Krankheit individuell in zahlreichen Stadien verläuft:

1 Assessment des Patienten und seiner Familie/Festsetzen von Zielen:

    • Pflegeperson bestimmt Stellung des Patienten und seiner Familie im Hinblick auf den Vorgang der Krankheitsbewältigung.
    • Identifikation der mit der Krankheitsbewältigung einhergehenden Probleme
    • Einstufung des Patienten bezüglich seiner Stellung zu: Krankheit, Biographie und alltäglichen Aktivitäten
    • Pflegeperson, Patient und Angehörige legen Ziele der Behandlung unter Anpassung an das jeweilige Stadium fest.

2 Einschätzung von Bedingungen, welche die Behandlung beeinflussen:

    • Identifikation jener Umstände, welche die Krankheitsbewältigung erleichtern und solcher, welche die Behandlungsziele behindern. Dazu fragt die Pflegeperson:
    • Welche Erfahrungen hat der Patient bereits mit seiner Krankheit?
    • Inwieweit und für wie lange sind Patient und Angehörige bereit, die Behandlung zu Haus durchzuführen?

3 Definition des Interventionsschwerpunktes:

    • Es wird festgelegt, welche Umstände mittels welcher Pflegeinterventionen und unter welcher Zielsetzung manipuliert werden sollen, um das gewünschte Ziel zu erreichen.

4 Pflegeinterventionen:

    • Durchführung der in 3. geplanten Pflegeinterventionen.

5 Evaluation der Effektivität von Pflegeinterventionen:

    • Pflegekraft überprüft, inwieweit Ziele errecht wurden.

Was im Vorfeld nicht selten geschah

  • Patienten konsultierten mehrere Haus- und Fachärzte, welche nach jeweils eingehender (und nicht selten doppelter) Diagnostik zwar zu demselben Ergebnis kamen, jedoch unterschiedliche und teils erfolgloses Therapienwege einschlugen.
  • Dadurch wurde teils für Patienten wertvolle Therapiezeit vertan.
  • Unnötige Kosten sind den Krankenkassen entstanden.
  • Folgeschäden der Erkrankung sind größer gewesen als notwendig.

Wie es jetzt besser laufen kann

Im Zuge wissenschaftlicher Untersuchungen wurde herausgearbeitet, welche Diagnostik, Therapie, Pflege- und Rehabilitationsmaßnahmen bei bestimmten Erkrankungen sinnvoll und notwendig sind und auf welche verzichtet werden kann. Krankenkassen haben daraufhin sog. Behandlungsprogramme entwickelt. Sie sind gewissermaßen ein Leitfaden für den ganzen Weg durch die Krankheit unter dem Gesichtspunkt der Effektivität, die eine qualitativ hochwertige Behandlung chronisch Kranker gewährleistet.

Bisher gibt es zwei anerkannte Chronikerprogramme: für Diabetes mellitus und Brustkrebs. Weitere werden entwickelt. Wollen ÄrztInnen an diesen Programmen teilnehmen, müssen sie sich permanent weiterbilden. Zusätzlich werden PatientInnen intensiv informiert und geschult, damit sie den Prozess optimal mit beeinflussen können. Dabei arbeiten alle Beteiligten – Haus- und FachärztInnen, Krankenhäuser, TherapeutInnen sowie PatientInnen Hand in Hand zusammen. Begleitet und organisiert wird diese Zusammenarbeit von Krankenkassen.

Das Zweitwichtigste zuletzt

  • Ein Mensch der Jahrzehnte lang mit einer chronischen Krankheit lebt: Ist er für dich Laie oder Experte?

Ein schon lang Betroffener ist oft ein größerer Experte als manche Mediziner, da er sich i.d.R. mit vielen verschiedenen Ärzten, Betroffenen, Co-Betroffenen auseinandergesetzt hat, die ihm eine breite Palette von "Wahrheiten" darstellen konnten.

Zudem ist er Experte in den Bereichen Medizin, alltäglicher Bewältigung der Krankheit, Medikamenteneinnahme und damit verbundenen Folgen und Reaktionen der Umwelt auf seine Krankheit.

Er ist somit nicht nur auf einem Gebiet informiert, sondern auf vielen verschiedenen.

Jedoch weiß beispielsweise ein Arzt objektiver über seinen Bereich Bescheid als ein Betroffener.

  • Krankheit:

Macht sie Menschen zum Opfer oder birgt sie Chancen zu innerem Wachstum?

Inwiefern birgt die Krankheit Chancen für seine Umwelt?


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